2017-01-14. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist gesamtgesellschaftlicher Konsens und der damit verbundene Rückbau von Anlagen eine gemeinschaftliche Aufgabe. Die AWN sieht es als ihre Aufgabe, die Bevölkerung bei deponiebezogenen Entsorgungsfragen qualifiziert zu informieren – insbesondere deshalb, weil das Thema „Radioaktivität“ in Teilen der Bevölkerung zu Unsicherheiten führt, die zum Teil allerdings auch auf lückenhaften Informationen beruhen. Als externer Berater für diesen sehr komplexen Themenbereich konnte der unabhängige Fachmann Christian Küppers vom Öko-Institut e. V., Büro Darmstadt, gewonnen werden.

Er ist unter anderem Mitglied der Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundesumweltministeriums und ein ausgewiesener Fachmann im Bereich Umgang und Entsorgung von radioaktiven Stoffen. Die wichtigsten Fragen mit Antworten zu diesem Thema sind in einer FAQ-Liste unter www.awn-online.de/aktuelles/dialog-rueckbau-kkw zusammengefasst.

Beim Rückbau von Kernkraftwerken fällt Material an, das zum allergrößten Teil wiederverwendet werden kann. Nur rund 1% ist für die Einlagerung in Deponien vorgesehen. In Deutschland ist festgelegt, dass bei diesem Material eine Dosis von 10 Mikro-Sievert pro Jahr nicht überschritten werden darf, weder bei Fahrern von Transporten, noch bei Deponiearbeitern noch bei Anwohnern. Die Dosis bezieht sich nicht auf einzelne Chargen, sondern auf eine theoretisch zulässige Gesamtmenge aller Anlieferungen sowohl in Jahresfrist als auch bis zur Schließung der Deponie. Vor diesem Hintergrund wird die effektive Dosis auf der Deponie Sansenhecken in Buchen deutlich geringer sein, da lediglich ein Bruchteil der theoretisch, gesetzlich möglichen Menge angeliefert werden wird. Für die Bevölkerung wird es somit keine Erhöhung der Strahlung geben. Selbst bei einer Verweildauer von einem Jahr an der Stelle der Deponieeinlagerung von 50000 t Material würde die 10 Mikrosievert-Grenze durch die Strahlung der künstlichen Radionuklide dieses Abfalls noch nicht erreicht werden. Eingebaut sollen jedoch lediglich rund 2500 t werden. Zum Vergleich: 28 h Verweildauer in der Stuttgarter Fußgängerzone, die mit dem Naturstein Flossenbürger-Granit gepflastert ist, entspricht der Dosis von 10 Mikrosievert.

Generell sollte man bedenken, dass eine natürliche Radioaktivität ohnehin vorhanden ist. Diese beträgt in Deutschland im Schnitt 2100 Mikrosievert pro Jahr. Ein Großteil dieser Radioaktivität bekommt der Mensch über die Atmung (1100 Mikrosievert), der Rest verteilt sich zu ungefähr gleichen Teilen auf Nahrung, terrestrischer (Boden) Strahlung und kosmischer (Weltraum) Strahlung. Hinzu kommt je nach Personenkreis und Lebensgewohnheiten weitere radioaktive Strahlung durch Nuklearmedizin (Röntgen), Flugreisen, Bergwandern und das Rauchen. Beispielsweise ist im bayrischen Wald die durchschnittliche Radioaktivität um rund 1300 Mikrosievert höher als im Bundesdurchschnitt, nämlich insgesamt ca. 3400 Mikrosievert. Erkennbare Unterschiede in der Volksgesundheit gibt es jedoch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dadurch nicht. Eine Dosiserhöhung von 10 Mikrosievert pro Jahr führt nach aktuellem Stand der Wissenschaft somit nicht zu einem erkennbaren Anstieg von gesundheitlichen Risiken.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder behauptet, dass die natürliche Radioaktivität „eine andere“ und somit „ungefährlichere“ sei, als die von Menschen z. B. durch Kernkraftwerken verursachte. Dazu erläutert das Öko-Institut, dass die Maßeinheit „Sievert“ eigens dafür geschaffen wurde, um die Wirkung von unterschiedlicher radioaktiver Strahlung auf den menschlichen Organismus zu definieren. Somit sind Angaben in praxisüblichen Milli- oder Mikrosievert direkt miteinander vergleichbar und es ist in seiner biologischen Wirkung für den Menschen nicht relevant, ob diese Radioaktivität nun natürlichen oder künstlichen Ursprungs ist, wenn „Sievert“ als Maßeinheit dient. Künstliche und natürliche Strahlung wirken beide sowohl zum Teil von außen auf den Menschen ein als auch über Nahrung und Atemwege. Der so genannte „Biologische Faktor“ ist in der Einheit Sievert bereits berücksichtigt.

Die Ärztekammer Baden-Württemberg (B-W) warnt, dies ist auch auf deren Homepage nachzulesen, vor der Verteilung von Rückbaumaterial aus KKW auf Deponien im Land. Diesbezüglich laufen Nachfragen, auf welche Untersuchungen sich diese Forderung stützt. Laut Christian Küppers gibt es keine „neuen“ wissenschaftlichen Studien, die ein entsprechendes Risiko belegen würden. Aktuell geht die Wissenschaft davon aus, dass das zusätzliche Risiko aufgrund solch geringer Strahlendosen extrem niedrig ist, etwa 1 : mehreren Millionen, wobei diese Strahlungserhöhung die Buchener Bevölkerung ohnehin nicht erreichen würde. Zum Vergleich: Die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls liegt in Deutschland bei ca. 1:5000 pro Jahr, darin enthalten sind Verkehrsunfälle mit ca. 1:20000 pro Jahr. 

So hat auch Margeret Chan, Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation WHO betont, dass es „keine ungefährlichen Niedrigwerte radioaktiver Strahlung“ geben würde. Dies ist auch die allgemeine Auffassung im Strahlenschutz. Dieses Zitat steht dem 10 Mikrosievert-Konzept jedoch nicht entgegen, da auch dieses davon ausgeht, dass es keine Dosis gibt, unterhalb der keine Schäden mehr möglich wären. Risiken werden in ihrer Betrachtung nicht „auf null“ gesetzt, sondern in einem Zahlenverhältnis ausgedrückt, wie im vorigen Abschnitt beschrieben. Deshalb wurde eine Dosis festgelegt, bei der mögliche gesundheitliche Schäden durch eine Freigabe von radioaktiven Abfällen so unwahrscheinlich sind, dass sie keine besonderen Anforderungen an die Entsorgung erforderlich machen.

Unabhängig davon, ob man in Buchen dieses Material „haben wollte“ oder nicht, ist der Neckar-Odenwald-Kreis und somit die Deponie Sansenhecken (Deponieklasse 2) in Buchen entsorgungspflichtig. Gemäß Gesetzeslage könnt dieses Material sogar auf einer im Vergleich einfacheren Bauschuttdeponie (Deponieklasse 1) abgelagert werden – eine solche steht jedoch aktuell im NOK nicht zur Verfügung. Eine Ablehnung aufgrund „Gefährlichkeit“ ist nicht möglich - im § 4 der Abfallwirtschaftssatzung des NOK sind zwar verschiedene "Ausschlüsse von der Entsorgungspflicht" genannt, unter anderem, wenn eine "toxische oder anderweitig schädigende Wirkung" zu erwarten ist oder "radioaktive Stoffe im Sinne der Strahlenschutzverordnung". Die hier zugrundeliegenden Zuordnungen sind jedoch per Gesetz genau geregelt. Das Rückbaumaterial unterliegt nach der entsprechenden Freigabe nicht mehr der Strahlenschutzverordnung, sondern dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und ist damit ein Abfall, für den der NOK für die Entsorgung zuständig ist.

Nach Abfallrecht gilt dieses Material nicht mehr als radioaktiv. Die Entsorgung ist somit nicht mehr durch das Atomrecht, sondern das Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelt. Absolut und physikalisch gesehen ist die gesamte Welt radioaktiv, wobei die natürliche Radioaktivität in vielen Stoffen, mit denen frei umgegangen wird, höher ist als in freigegebenen Abfällen aus KKW. Wie bereits erwähnt gibt es Natursteine, die zu einer Strahlenbelastung von deutlich mehr als 10 Mikrosievert pro Jahr führen. Ähnlich verhält es sich bei verschiedenen Steinkohlearten und auch beim Mineraldünger.

Die Kontrollmessungen des hier betrachteten Bauschutts aus Obrigheim werden in einem speziell abgeschirmten Raum innerhalb des KKW durchgeführt. Die vom Landkreistag, Betreiber EnBW und Atomaufsichtsbehörde erarbeitete und im Sommer 2015 vorgestellte Handlungsanleitung stellt sicher, dass nur freigemessener Abfall, der zweifelsfrei aus dem Atomgesetz entlassen wurde, an Deponien angeliefert wird. Es findet eine lückenlose Kontrolle durch einen vom UM bestimmten Sachverständigen (z. B. TÜV) statt. Für die Deponiebetreiber besteht die Möglichkeit, mit eigenen Gutachtern Kontrollmessungen durchzuführen. Weiterhin sorgt diese Handlungsanleitung für einen einheitlichen Umgang mit diesem Material auf Deponien in B-W. Sie dient zwischenzeitlich als Vorbild in anderen Bundesländern. Bei der Handlungsanleitung eingebundene Deponien in B-W nehmen Rückbaumaterial nur an, wenn nach der Handlungsanleitung verfahren wurde – dies ist mit der Aufsichtsbehörde und dem Betreiber so festgelegt. Der NOK ist ausschließlich für das Rückbaumaterial des KWO, also für rund 2500 bis 3000 t, zuständig. Darüber hinaus gehende Mengen, z. B. von anderen Kraftwerksstandorten, werden im NOK nicht angenommen.

Interessanter Beitrag im SWR-Fernsehen:  http://swrmediathek.de/player.htm?show=97871dd0-d904-11e6-8e1e-005056a12b4c

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