Unterwegs mit den Müllmännern der AWN
Aus der RNZ-Serie "Härteste Jobs", von Christian Beck

2016-09-06, Buchen/Mosbach.  „Zieh’ Du nur die Tonnen zu mir her, ich lade!“, ruft mir Heiko zu. Doch was sich so einfach anhört, überfordert mich total. Während er die schwarzen Behälter lässig mit einer Hand herumzieht, schufte und schwitze ich. Doch statt ihm wirklich zu helfen, stehe ich eher im Weg herum. Wie heißt es so schön: Jeder hat seine Talente. Mag sein. Doch nach wenigen Stunden habe ich den Eindruck: Als Müllmann tauge ich nicht viel.

„Die Leute denken immer, das sei alles ganz einfach“, grinst mir Heiko zu. Und sagt dann nichts weiter. Er hat recht. Auch ich habe seine Arbeit als Lader eines Müllautos unterschätzt. Normalerweise macht er den Job alleine, nur bei Mehrfamilienhäusern mit vielen Tonnen hilft ihm Fahrer Viktor. Wenn ich ihm helfe, müssten wir doch schneller sein, dachte ich, als wir uns um 5.30 Uhr zum Arbeitsantritt treffen. Doch diese Überlegung stellt sich innerhalb kürzester Zeit als Illusion heraus. Während er bereits zwei leere Tonnen mit geübten Handbewegungen an ihren Platz zurückschiebt, kämpfe ich noch mit der Schüttung. So nennt sich die Apparatur an der Rückseite des Müllautos, die die Tonnen greift und automatisch leert.

Apropos Tonnen: Manche sind so schwer, dass ich sie trotz Rollen mit beiden Armen kaum bewegen kann. Ich wundere mich – Heiko ist kleiner als ich, besonders muskulös ist er auch nicht. Doch was bei mir kaum klappt, sieht bei ihm beinahe mühelos und elegant aus. „Wir hatten schon Kerle mit riesigen Muskeln da“, berichtet mir daraufhin Fahrer Viktor. „Aber die haben nur einen halben Tag durchgehalten. Was Du brauchst, ist Ausdauer und Technik“, erklärt er mir.

Doch es braucht noch einiges mehr, um ein guter Müllmann zu sein: Schnelligkeit ist gefragt. Ungefähr 1200 Tonnen sind heute auf unserer Tour in Mosbach zu leeren. Und Feierabend ist eben erst dann, wenn alle Mülleimer leer sind. Was es darüber hinaus noch braucht, ist eine ordentliche Portion Unempfindlichkeit. Schließlich müssen die Müllmänner mit jedwedem Wetter, mannigfaltigen Beschimpfungen und dem Gestank zurechtkommen.
All das bekomme auch ich zu spüren: Autofahrer drängeln, und bei rund 30 Grad Celsius steht mir der Schweiß innerhalb kürzester Zeit auf der Stirn. Außerdem sorgt die Hitze dafür, dass der Müll deutlich riecht. Wenn aus einigen Tonnen noch ein Schwall braune Brühe ins Müllauto läuft, stinkt es gewaltig. Heiko stört das indes kaum: „Ich bin nicht so geruchsempfindlich“, erzählt er. „Unangenehm wird’s nur, wenn wir zwei Wochen alte Speisereste von Gaststätten abholen“, berichtet er.

Dass der Gestank immer nur kurz in der Nase hängt, liegt übrigens an der Fahrt auf dem Trittbrett. Viktor steuert das Müllauto mit Hilfe einer Kamera am Heck punktgenau von Tonne zu Tonne, so dass Heiko und ich so wenig wie möglich laufen müssen – schließlich geht es um Zeit. Während wir auf den Trittbrettern stehen, bewegt sich der Müllwagen zwar nie schneller als 30 Kilometer pro Stunde. Doch das reicht, um etwas Abkühlung und ein frisches Lüftchen in die Nase zu bekommen. „Schau aber immer zum Auto“, mahnt Heiko. „Ich habe einmal die Zweige eines Dornbuschs ins Gesicht bekommen“, erzählt er.

Harte körperliche Arbeit bei Wind und Wetter, Gestank, fehlendes Ansehen – Heiko mag seinen Job trotzdem. „Ich arbeite gerne draußen, im Büro würde ich kaputt gehen“, erklärt er. „Außerdem ist meine Arbeit krisensicher – Müll gibt’s immer“, fügt er hinzu. Bis zur Rente wird er trotzdem nicht als Lader eines Müllautos arbeiten können, gibt er zu. Er hofft deshalb, wie Viktor irgendwann einen Platz als Fahrer auf einem Müllwagen der AWN zu ergattern.
Am Ende meines Einsatzes als Müllmann bin ich erschöpft, am nächsten Tag spüre ich Muskelkater in den Armen. Doch die Tour mit Heiko und Viktor hat Spaß gemacht, trotz engem Zeitplan haben wir viel gelacht. „Du bist lernfähig, ich habe am Anfang genau die gleichen Fehler gemacht wie Du“, erzählt Heiko beim Abschied. „Komm’ doch mal wieder“, sagt er schließlich zu meiner Ehrenrettung. Ich fürchte, daraus wird nichts. Doch mein Respekt für die harte Arbeit der Müllmänner ist noch einmal deutlich gestiegen. Gut, dass es Leute gibt, die diesen Job machen!

 Mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Neckar-Zeitung, © by RNZ 2016, 06./08. September

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